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  • AutorenbildOliver Masch

Was tun, wenn Humor in der Partnerschaft verletzt

Aktualisiert: 3. Dez. 2023


Humor kann dazu beitragen, dass wir in einer erfüllenden Beziehung leben, die lange hält. Es kann jedoch auch sein, dass ausgerechnet der Humor unsere Partnerschaft ins Wanken bringt, genauer: es feuert den negativen Tanz des Paares an, der die emotionale Verbundenheit gefährdet.


Einerseits spüren wir Liebe, und andererseits erleben wir, meist unterschwellig, dass uns gerade der Humor unseres Partners verunsichert, verletzt oder sogar demütigt.


„Du verstehst meinen Humor einfach nicht“, sagt Christian zu seiner Partnerin, die prompt darauf antwortet: „Ja, weil das billige Sprüche sind, die nur auf meine Kosten gehen.“


Schauen wir uns also etwas genauer an, wie wir mit dieser Spannung umgehen können: Was tun, wenn Humor in der Partnerschaft verletzt?


Wie wir noch sehen werden, geht es weniger um Kommunikationsprobleme, sondern vielmehr um das unerfüllte Bedürfnis nach Bindungssicherheit.


Dazu möchte ich fünf Schritte zur Deeskalation vorstellen, die sich in der Emotionsfokussierten Paartherapie bewährt haben. Wenn negative Beziehungsmuster durchbrochen werden, kann sich mehr Verbundenheit und Sicherheit in der Beziehung einstellen. Dann ist auch der Humor ein verbindendes Element.


Abschätziger Humor: eine Form von Verachtung

Verachtung

Die oben beschriebene Spannung spüren in der Regel beide Partner – früher oder später.


Klar davon abzugrenzen ist jedoch bitterböser Humor, der gezielt unter die Gürtellinie geht. Also Beleidigungen und Provokationen, die scheinbar nur das eine Ziel haben: den Partner bewusst zu entwerten.


Lachen kann wehtun, vor allem, wenn nur einer etwas zu lachen hat.


Christian weiß, dass sein bisweilen abschätziger Humor die Atmosphäre vergiften kann. Er hat sich mit den vier apokalyptischen Reitern beschäftigt, die ein Scheitern der Beziehung prophezeien können: Kritik, Verachtung, Rechtfertigung und Mauern.

„Ja, ich kann es verstehen“, sagt Christian zu Bettina, „dass dich meine Sprüche verletzen und irgendwie klein machen...“

Abschätziger Humor ist eine Form von Verachtung.: „Es ist so gut wie unmöglich“, schreibt John Gottman in seinem Buch die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe, „ein Problem zu lösen, wenn der Partner den Eindruck bekommt, dass man ihn ablehnt. So führt Verachtung zwangsläufig zum Konflikt und nicht zur Bereinigung der Situation.“



Andere Formen der Verachtung sind Augenrollen, Verfluchen und Verhöhnen, die oftmals mit Sarkasmus und Zynismus einhergehen können. Es ist der „gefährlichste der vier Reiter“, so Gottman.

Bettina fällt auf, dass ihr sein Humor erst in der letzten Zeit, vor allem seit dem Lockdown, so richtig auf die Palme gebracht hat. „Ja, und dann rolle ich eben auch mal mit den Augen“, sagt sie und nickt mit dem Kopf.

Die immer wieder kehrenden Auseinandersetzungen haben letztlich dazu geführt, dass Christians Humor deutlich bissiger geworden ist:


„Verachtung wird von lange schwelenden negativen Gedanken über den Partner genährt“, schreibt John Gottman. „Solche Gedanken können entstehen, wenn Schwierigkeiten nicht gelöst werden.“

Christian spürt neben Verachtung zudem Scham, da er sich selbst nicht wieder erkennt: „Es ist für mich sehr schwer zu akzeptieren, dass ich ein Kleinmacher sein soll. Sofort fallen mir tausend Dinge ein, warum ich dies gemacht habe: z. B. die Tatsache, dass du dich nicht für mich interessierst, wenn es mir mal nicht gut geht...“


Selbstironie verbindet


Humor mit einer Prise Selbstironie dagegen verbindet. Es ist jedoch eine trickreiche Kunst, die in konfliktreichen Situationen nach hinten losgehen kann.


„Die schwierigste Turnübung“, so der Kabarettist Werner Fink, „ist immer noch, sich selbst auf den Arm zu nehmen.“

„Kannst du nicht einmal ernst bleiben“, meint Bettina. „Wenn du dich selbst durch den Kakao ziehst, wird die Sache auch nicht besser.“ Christian hat es zwar geschafft, seine eigene Wut durch Selbstironie zu dämpfen, doch letztlich erlebt er Bettina sogar noch gereizter als zuvor, was bei beiden weiteren Unmut und Verzweiflung auslöst.


Bettina fühlt sich noch weniger ernst genommen und Christian weiß überhaupt nicht mehr, was er tun soll, um Ruhe in die Situation zu bekommen: das Paar steckt in einer Feedbackschleife fest - in einem Teufelskreis:


Humor als Trigger für emotionale Distanz, Streit und Eskalation


Durch eine einzige, vielleicht sogar witzig gemeinte Bemerkung des Partners oder der Partnerin können also Konflikte ausgelöst werden, die stark verunsichern.


Derartige Situationen eskalieren zunehmend und das Paar ist mit schwierigen Emotionen wie Wut, Schuld, Scham, Verachtung konfrontiert.


„Nicht regulierbare, überwältigende Emotionen können die Sinne überfluten und das Blickfeld verengen“, schreibt Sue Johnson in ihrem Buch Praxis der Emotionsfokussierten Paartherapie: „Werden Emotionen nur eingeschränkt wahrgenommen oder zum Ausdruck gebracht, kann man weniger verständnisvoll auf andere eingehen und verfängt sich in einer Spirale negativer Emotionen und Interaktionen.“

Der Sympathikus wird aktiviert: Kampf, Flucht und Erstarren sind die Notfallprogramme unserer Vorfahren, über die ich in der zweiten Folge „Alles Rogers“ gesprochen habe. Entweder geben wir dem Partner die Schuld, ziehen uns schweigend zurück oder verharren in einer scheinbar gleichgültigen Haltung.


„Kann sein, dass ich manchmal total ausflippe“, kommentiert Bettina den Rückzug von Christian, „ich merke auch irgendwie, dass es falsch ist, aber hinterher ist man eben immer schlauer!“


Das Inakzeptable akzeptieren: die Koregulation von Emotionen.


Emotionen lassen sich am effektivsten regulieren, wenn wir in einer Beziehung leben, in der wir uns aufeinander einstimmen können.


Entscheidend dabei ist, „dass die Person nur dann das Inakzeptable in sich selbst akzeptieren kann“, so Carl Rogers, „wenn sie sich in einer engen Beziehung befindet, in der sie Angenommensein erfährt.“




„Ja, ich wünsche mir mehr Wertschätzung und Stabilität“, bringt Christian zum Ausdruck, „ich möchte endlich mal wieder so gesehen werden, wie ich bin, und dann ist das auch so in Ordnung.“


Paartherapie kann helfen, wenn Paare allmählich erkennen, dass sie sich in ein negatives Beziehungsmuster verfangen haben, das Einsamkeit, Schmerz und Verzweiflung verursacht. Um dies zu ermöglichen, akzeptiert der EFT-Therapeut oder Therapeutin bedingungslos das gegenwärtige emotionale Erleben beider Partner.


„Das ist… ein großer Teil von dem, was Psychotherapie ausmacht - dass das Individuum entdeckt, dass die Gefühle, deren es sich geschämt hat oder die es nicht imstande war, dem Bewusstsein gegenüber zuzulassen, dass diese Gefühle von einer anderen Person akzeptiert werden können, und es auf diese Weise fähig wird, sie als einen Teil von sich selbst ebenfalls zu akzeptieren.“

Durch das Akzeptieren negativer Emotionen wird Vertrauen, Sicherheit und Wertschätzung aufgebaut. Dies ist auch die Basis für eine erfolgreiche Therapie.


„Wir fokussieren uns in erster Linie auf die vernachlässigten, undifferenzierten oder verleugneten Kernemotionen“, schreibt Sue Johnson, „doch da wir das Paar ja dort abholen, wo es sich gerade befindet, beginnen wir die Therapie in der Regel mit den auffälligsten Emotionen des Teufelskreises, unter dem das Paar leidet (z. B. der Ärger) und stellen sie in den spezifischen Kontext.“


Grundmuster fehlender Verbundenheit

Wenn wir in derartigen Situationen keine sichere Verbindung mit unserem Partner aufbauen können, verstricken wir uns in der Regel in eines der drei Grundmuster, die Sue Johnson, „Teufelsdialoge“ nennt:

  1. „Suche den Bösewicht“: d. h. nicht ich bin schuld, sondern der andere. Feindseligkeit und wechselseitige Angriffe stehen im Vordergrund.

  2. Protestpolka: ein Partner ist kritisch und zunehmend aggressiv, und der andere distanziert und defensiv.

  3. Erstarren und Fliehen: tödliches Schweigen und eisige Kälte prägen die Beziehung.


Das gemeinsame Aufspüren der „Teufelsdialoge“ in der Paarbeziehung entlastet viele Paare, da es um einen Tanz geht, den beide anstimmen.


Welches negative Grundmuster ist am häufigsten in Paarbeziehungen?


Fallbeispiel: Bettina und Christian


Die Protestpolka.


So auch bei Bettina und Christian. Sie sind seit knapp 10 Jahren zusammen. Es lief eigentlich immer sehr gut. Sie kommen in die Beratung, weil sie nun eine Lösung für ihre mitunter heftigen Auseinandersetzungen suchen, die das Paar zunehmend belasten. Beide sind ratlos.


„Wir lachen und reden viel miteinander, lösen Konflikte konstruktiv. Das haben wir schon immer so gemacht“, meint Bettina lachend. „Ja, und trotzdem kratzen wir uns manchmal fast die Augen aus. So extrem war es früher nicht. Irgendwie komisch.“


Der gemeinsame Humor des Paares ist zu spüren, ein Humor, der verbindet und Halt gibt. Wir erinnern uns: Lachen vermittelt Sicherheit und Leichtigkeit, auch in turbulenten Zeiten.


Lachen lockert langweilige Routine und emotionale Distanz auf, verbindet, wenn wenig Zeit füreinander da ist, entlastet bei hoher Belastung durch zu viel Stress oder Misserfolg.


Humor wird im Teufelskreis negativer Emotionen zum Beziehungskiller


Christian gibt zu, dass er mitunter einen sehr „speziellen“ Humor hat. Er kann mittlerweile ein bisschen verstehen, dass Bettina diesen Humor ablehnt. Allerdings sei es für ihn sehr irritierend, und er kenne sowas auch nicht, wenn Bettina plötzlich so heftig reagieren würde.

„Das gehört einfach zu mir“, sagt er und schüttelt mit dem Kopf. Es gab sogar eine Zeit, wo er nicht „anders konnte“, und fast permanent solch einen Spruch rausgehauen hat. Bettina konnte früher damit scheinbar umgehen.

„Das war doch nicht ernst gemeint“, sagt Christian zu seiner Partnerin, die in einer recht typischen Situation richtig sauer geworden ist, weil er sich über ihren neuen Haarschnitt lustig gemacht hatte.

„Ich verstehe einfach nicht, wie man so etwas sagen kann“, meint Bettina. „Es ist nicht witzig. Punkt. Humor hin oder her. Das sind Machosprüche aus der Steinzeit.“


Christian hatte bislang den Wunsch, sich professionelle Hilfe zu suchen, nicht einsehen wollen. Die Idee, in eine Paarberatung zu gehen, kam von Bettina. Vor ein paar Wochen hatte Christian, da er wusste, dass er seine Partnerin damit verletzt, keine „Sprüche“ mehr gemacht.


„Das musst du jetzt aber zugeben“, sagt Christian, „ich habe einfach damit aufgehört.“

„Wirklich?“, erwidert Bettina recht verdutzt.


Christian ist irritiert, denn aus seiner Sicht kann er nicht mehr tun. Dass es in der Beziehung immer noch so heftig kracht, ist ihm ein Rätsel.



5 Schritte zur Deeskalation in Paarbeziehungen

Um das negative Beziehungsmuster besser erkennen können, werden in einer Emotionsfokussierten Paartherapie die gemeinsamen Schritte des Paares immer wieder herangezoomt, validiert und empathisch gespiegelt.


1. Schritt: Den Blick auf den gemeinsamen Tanz richten


„Jetzt sehe ich allmählich, was wir beide in unserem Tanz machen“, sagt Bettina und blickt zu Boden. „Es geht um noch viel mehr. Es sind nicht nur deine Sprüche, auch meine Art, wie ich darauf reagiere.“


Christian und Bettina konzentrieren sich nicht nur auf die einzelnen Schritte des Tanzes, sie schaffen es auch, einen Schritt zur Seite zu gehen und die Protestpolka zu unterbrechen:


„Es verletzt uns beide, und es klingt, als würden wie zu Free-Jazz tanzen.“


„Ja, ich denke da aber eher an so ein schönes, sägendes Gitarrenriff“, fügte Christian hinzu, „untermalt mit so einer kräftigen Double-Bass, die uns beide zerfetzt...“


Beide sehen sich an und müssen lachen. Wow, sie haben die Musik erkannt und haben sich aufeinander zubewegt.


2. Schritt: Den eigenen Anteil wahrnehmen


Christian sagt dazu: „Ja, es stimmt, wenn ich meinen Witz quasi herunterspiele, lass ich dir eigentlich gar keine andere Wahl, als mich zu bedrängen und zu provozieren, weil du dich schützen musst.“


„Mmh, und wenn ich dann so sauer werde“, bestätigt Bettina, „mache ich es dir geradezu unmöglich, auf mich einzugehen.“


3. Schritt: Den Schrei nach Bindung erkennen


„Das Schlimme ist“, meint Bettina, „wenn diese pure Verzweiflung zu spüren ist. Es kommt nichts von dir, gar nichts, was mich erreicht, und dann laufe ich hinter dir her, werde lauter und beschimpfe dich aufs Übelste.“


Christian meint: „Das ist dann so krass, dass ich nur noch abhauen will. Ich kann einfach nicht ertragen, dass ich so schlimm bin, und dich offensichtlich nicht glücklich machen kann.“


4. Schritt: Das Wesen der Liebe kennenlernen


Schritt für Schritt erkennen beide die einzelnen Puzzleteile, die unzähligen Momente fehlender Verbundenheit.


„Ist doch klar! Ich werde noch verzweifelter, wenn mir dann noch deine Blicke sagen, dass du mich ablehnst, und mich nicht willst! Das macht mich einfach rasend“, stellt Bettina fest.


„Ok, so gesehen, ja, das kann ich nachvollziehen“, sagt Christian. „Und jetzt verstehe ich auch, „dass es nicht reicht, wenn ich einfach mit meinen Sprüchen aufhöre. Ja, ich drehe dir dann den Rücken zu, stimmt ... Ich kann es nicht mehr ertragen, zu hören, dass ich alles falsch mache und unsere Beziehung die Hölle ist. Frust pur.“



5. Schritt: Dem Teufelskreis einen Namen geben.


Bettina und Christian beschreiben in der nächsten Sitzung, dass sie in vielen Konfliktsituationen entspannter miteinander reden können.

„Es ist nicht mehr so ein Kampf“, meint Christian. „Wenn es brenzlig wird, sieht Bettina wirklich manchmal so aus wie ein Zombie und...“

„Ja, das stimmt“, lacht Bettina, „und deswegen haben wir unser negatives Muster auch Zombie-

Strudel genannt.“


„Die Bindungssicherheit ist ein Geschenk, von dem wir lebenslang profitieren." (Sue Johnson)

In der Paartherapie werden meist Themen bearbeitet, über die das Paar noch nie „so richtig" gesprochen hat. Der Alltag bietet oft wenig Raum für gemeinsame Gespräche auf Augenhöhe.

Je nach Beziehungsphase werden gegenseitiges Interesse oder Mut zur Leidenschaft weniger. Ist z. B. die Verliebtheitsphase vorbei, werden Gegensätze spürbarer und es kommt darauf, ob die Partner diese akzeptieren können. Denn spätestens nach der Phase des Verliebtseins, wenn die rosarote Brille allmählich verblasst, geht es in der Regel ans Eingemachte: gemeinsamer Haushalt, Kinderwunsch, Heirat, Haus bauen, Finanzen, Verhütung, sexuelle Unlust usw.


Wenn Paare jedoch die alltäglichen Momente der Unverbundenheit erkennen, und bereit sind, aufeinander zuzugehen, kann die Beziehung wieder sicherer werden: das Paar verbündet sich gegen den Teufelskreis.


Die 5 Schritte zur Deeskalation in Paarbeziehungen können dazu beitragen. Und noch mehr. Es ist die Grundlage für das Erleben tiefer Verbundenheit in Schlüsselmomenten, in denen wir unsere Verletzlichkeit, unseren Schmerz, unsere Freude und unsere Ängste miteinander teilen können


Die Vorstellung dagegen jedoch, ein Paar müsse 24 Stunden am Tag miteinander verbunden sein, geht an der Wirklichkeit vorbei. „Leben ist“, so Henry Miller, „was uns zustößt, während wir uns etwas ganz Anderes vorgenommen haben.“


Wir wissen nicht, was auf uns zukommen wird, und wie wir uns dann fühlen werden. Deshalb ist auch so wichtig, sich immer wieder mutig aufeinander einzustimmen, kurz: ein emotionales Update zu machen.


Wie Bobby Womack einmal sang: „Love ist a full time job.“



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